von Anita Conrad, Diplom Biologin
Jupiter-Kräuter haben oft eine gerade, herrschaftliche Gestalt und beeindrucken uns durch ihre Größe ‒ kaum verwunderlich, wenn wir an Jupiter denken, den größten unserer klassischen Planeten. Jupiter-Kräuter haben einen zähen Stängel, sind oft vierkantig und zeigen sich in lichten Blütenfarben. Paracelsus ordnet Jupiter der Leber zu (1). Welches Kraut passt also besser als Jupiter-Kraut als die Engelwurz mit ihrer großen aufrechten und bei der Erzengelwurz (Angelica archangelica) wirklich herrschaftlichen Gestalt, die bis zu zweieinhalb Meter groß werden kann? Engelwurz hat die Fähigkeit, den Körper, wie unser größtes Entgiftungsorgan von Giftstoffen zu reinigen.
Der Name Engelwurz zeigt uns, dass es hauptsächlich die Wurzel ist, die in der Heilkunde Verwendung findet. Als eine der bekanntesten Heilpflanzen unserer nordischen Vorfahren war sie damals so bekannt wie heute das Gänseblümchen. Im Mittelalter galt sie als Allheilmittel und wurde vor allem auch gegen die Pest verwendet. Zum einen, um Kranke zu heilen, aber auch, um sich selbst vor der Pest zu schützen. Besonders bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang der sogenannte „Essig der vier Räuber“. In Frankreich gab es im 17. Jahrhundert zur Zeit der Pest vier Räuber, die die Häuser der Pestkranken plünderten und sich dabei erstaunlicherweise nicht ansteckten. Nun, sie wurden gefasst und zum Tode verurteilt. Man versprach ihnen aber, das Leben zu schenken, wenn sie das Geheimnis verrieten, wie es ihnen gelang, sich vor der Ansteckung zu schützen ‒ es war allein der Essig der vier Räuber, der unter anderem Angelica-Wurzel enthielt!
Zuordnung
So steht es in einem Kräuterbuch von 1563: „Hye haben wir abermals der edlen unnd berümpten kreutter eins, welches wegen seiner tugend wider gifft und insonderheit wider die pestilenz nicht zu bezahlen ist, wie solchs mannigfaltige erfahrung bezeugt (2).“ Doch während Paracelsus die Engelwurz ganz eindeutig dem Jupiter zuordnet, sieht Nicolas Culpeper dies etwas differenzierter: „Sie ist eine Pflanze der Sonne, die im Löwen steht. Wir sollten sie sammeln, wenn sie in diesem Zeichen steht und der Mond zu ihr in einem guten Aspekt steht. Wir sollten sie entweder in der Stunde der Sonne sammeln oder in der Stunde des Jupiters (3).“ Culpeper ordnet die Engelwurz also sowohl der Sonne als auch Jupiter zu, wenn er sagt, sie habe die Kraft der Sonne und könne den ganzen Körper stärken. Es ist durchaus üblich, einer Pflanze mehr als einen Planeten zuzuordnen, wie wir vor allem bei den transsaturnischen Planeten sehen werden.
Verwendung
Heute verwendet man Angelica als Stärkungsmittel bei physischer und psychischer Schwäche, zur Nervenstärkung, bei Mutlosigkeit, Nervosität, aber auch zur Reinigung des Körpers von Giftstoffen. Angelica-Wurzeln schmecken bitter, aber das sollen sie auch, denn gerade die Bitterstoffe regen den Verdauungsapparat und die blutbildenden Organe an. Deshalb ist es ratsam, Engelwurz bei der Verwendung nicht zu süßen, andernfalls verliert sie ihre Wirkung. Engelwurz löst zudem zähen Schleim bei Husten, Bronchitis, Lungenentzündung und chronischen Erkrankungen der Atemwege. Über die Haut aufgenommen, wirkt sie auch bei Rheuma, Gicht, Nervenschmerzen und sogar gegen Lähmungen – hier verwendet man aber nicht die Wurzel, sondern einen Absud der Samen. Bei der Anwendung von Angelica sollte man keine Sonnenbäder nehmen, da es sonst zu Hautentzündungen kommen kann (4). Außer der Erzengelwurz (Angelica archangelica) kommen noch die Sumpfengelwurz (Angelica palustris) und die Waldengelwurz (Angelica sylvestris) vor. Alle können verwendet werden. Angelica ist eine zweijährige Pflanze. Die Wurzeln werden im Herbst des ersten Jahres vor dem Aufstängeln geerntet. Man erntet die Wurzeln im späten Herbst, reinigt sie, schneidet sie klein und trocknet sie luftig und schattig.
Rezept
Engelwurztee: 1 TL zerkleinerte Wurzel pro Tasse kurz aufkochen oder über Nacht in Wasser einweichen und dann kurz erhitzen. Man kann Engelwurz auch essen. Die jungen geschälten Stängel vor der Blüte und die jungen Blätter können als Gemüse zubereitet werden. Junge Blätter nimmt man auch zum Würzen von Soßen, Fisch und Fleisch. Man kann die jungen Stängel zudem mit Käse überbacken oder aber mit Rhabarber mischen und als Mus oder Marmelade einkochen (4).
Quellen
(1) Rippe, Madejsky, Amann, Ochsner, Rätsch: Paracelsusmedizin
(2) P. Mattioli: Kreuterbuch 1563
(3) Nicolas Culpeper: Culpeppers Complete Herbal, Exeter
(4) Susanne Fischer-Rizzi: Medizin der Erde 1997